26-08-2018 Bühnenzauber

Nach der ungeplanten aber sehr willkommenen Nacht in der Lodge ging es daran 33 km zu absolvieren um kurz vor Tempel 71 das Nachtlager aufzuschlagen. Nach knapp einer Stunde waren wir an Tempel 67 und trafen dort auf Koichi, den wir schon die letzten beiden Tage immer wieder getroffen haben. Koichi arbeitet als Übersetzer (Japanisch - Englisch) und hat auch einige Zeit in Deutschland studiert - außerdem hat der den “Pacific Coast Trail” absolviert, das ist quasi der PCT für Radfahrer: 3100 km auf dem Rad, von Mexiko nach Kanada. 

Weiter ging es dann zu Tempel 68 und 69, die direkt nebeneinander liegen - quasi wie ein großer Tempel. Von dort aus 6 km zu Tempel 70 und danach ein Udon-Stop. Mittagessen im Nudelhaus, feine und günstige Sache. Es standen 5 Mitarbeiter hinter der 8 Meter langen Theke - und jeder Kunde der rein oder raus ging wurde vielstimmig und laut begrüßt bzw. verabschiedet - only in Japan! 

Danach ging es auf die letzte, sehr sonnige und heiße Etappe Richtung T71. Knapp 1 km vor dem Tempel befindet sich ein Hotel mit einer kleinen Raststätte und einem Art Abenteuerspielplatz für Kinder. Eine riesige Rasenfläche mit überdachten Bühne ist umsäumt von Klettertunneln, langen Rutschen und einer Art kleiner Bummelbahn, die das gesamte Gelände umfahren kann (zum Glück nicht an diesem Tag). Kaum waren wir auf dem Gelände angekommen, begrüßte uns der Parkwächter und erläuterte uns, dass wir doch direkt auf der Bühne Zelten sollten ... da sei es trocken. Gesagt getan, aber komisch, sein Zelt auf einer riesigen Bühne aufzubauen .... aber die Nacht war seeehr angenehm.

 

 

27-05-2018 Tempel-Hopping

Um 6:00 Uhr war dann auch die Nacht auf der Bühne vorbei … damned, hab meinen großen Auftritt verschlafen! Aber weiter ging es auf der Tempelreise, wir hatten nur knapp 20 Minuten und gefühlte 400 Stufen zum nächsten Tempel. T71 liegt traumhaft an einem hohen Berg mit Aussicht auf Mitoyu City. Wie ein vom Urwald verschlungener geheimnisvoller Ort aus einer anderen Zeit. Auch in der Tempelanlage selbst galt es noch zig Stufen zu steigen um in den Haupttempel zu gelangen. Der Mönch vom Dienst war auch schon wach und so freundlich, uns unsere Stempel bereit 10 Minuten vor 7:00 Uhr zu geben. T71 ist mein Favorit bis jetzt - wunderschön. Beschwingt und mit leichtem Gepäck ging es dann die Stufen wieder hinab. Unsere schweren Rucksäcke hatten wir unten am Weg zurück gelassen - keine Angst, einen Pilger bestiehlt man in Japan nicht ... gibt schlechtes Karma!

Danach ging die Tempelsause so richtig los - in Abständen von 1,5 bis 7 Kilometern besuchten wir heute insgesamt 8 Tempel! Darunter auch den größten, Tempel 75, an Kobodaishis Geburtsort. Der ist riesig, mit einer mächtigen Pagode und einer großen goldenen Statue im Haupttempel, wo man leider nicht fotografieren darf. 

Zwischen all den Tempeln machten wir einem „Gusto“ Lokal ausgiebig Mittag, wo wie uns unverschämt oft an der Flatrate Drink-Bar bedienten (antialkoholisch natürlich).

Über Nacht hatten wir uns in einem privaten Gästehaus angekündigt, in dem Kelly auch vor 4 Jahren bereits genächtigt hatte ... dort wartete eine Dusche und ein heißes Bad, und ein selbst mitgebrachtes Bier von Lawson. 

Jetzt sind es nur noch 10 Tempel ... in 3 Tagen, dann noch 40 km zurück zu Tempel 1 und am Freitag ab in den Flieger - unglaublich, meine Reise ist schon fast vorbei!

28-05-2018 Hochplateau

Um 6:30 Uhr gab es eine Riesenportion Frühstück mir Fisch, Suppe, Tofu, Reis und allerlei Gemüse - und das, obwohl ich normal nie frühstücke! So gestärkt machten wir uns an die Umsetzung unserer „von-hinten-durch-die-Brust-ins-Auge“ Taktik. Wir ließen T80 rechts liegen, umliefen den steilen Aufstieg zu T82 großräumig und näherten uns so T81 von oben. T81 und T82 liegen auf einem Hochplateau in wunderschöner Waldlage hoch über Takamatsu - und wir zogen den stetigen aber weniger steilen Anstieg dem Direkten Aufstieg über T80 vor.

Wie es sich beim arg steilen Abstieg zeigte, war es die richtige Entscheidung. Knapp 6 Stunden hatte der Weg von unserer Übernachtungsstätte hinauf zu T81 gedauert - um ca. 15:00 Uhr hatten wir dann T80 nachgeholt und hatten unser Soll fast erfüllt. Ich hatte total das Zeitgefühl verloren, der Tag war länger gewesen als gedacht - nur meine allmählich schmerzenden Füße machten mir klar, dass wir bereits über 8 Stunden und 32 KM absolviert hatten!

Ich machte einen kurzen Abstecher in den McDonalds am Weg - um mal keinen Fisch zu essen, und traf mich dann 1,5  Stunden später mit Kelly in einem FamilyMart. Wir gönnten uns ein Bier-Mischgetränk, kauften Abendessen ein und liefen dann noch etwas weiter um in einem Park zu campen. Heute soll es ja noch trocken sein, morgen und Do. und Fr. eventuell regnerisch. Statt im Park zelten wir zur Abwechslung mal direkt an einem Fußballplatz - knapp im Abseits sozusagen. Heute gab es auch wieder Ossetai - in Form von gefüllten Reisbällchen und Fruchtsaft - life is good.

29-05-2018 Das Ende naht

Heute starteten wir gegen 6:30 Uhr, weil T83 nicht weit weg von unserem Campingplatz lag. Wir waren wieder mit die Ersten am Tempel und genossen e,s in Ruhe die Tempelrituale zu zelebrieren, oft haben wir ja nicht mehr die Gelegenheit. Danach ging es kreuz und quer durch die Stadt, 2 Stunden, bis es dann wieder mal steil bergauf ging zum Tempel 84. Mit einem herrlichen Panoramablick auf die Stadt liegt diese große Tempelanlage mit einem einen eigenen angegliederten Museum auf einem hohen bewaldeten Berg. Der Abstieg auf der anderen Bergseite war wieder sehr steil, Steinstufen und -tritte mit ziemlichen Abstand zueinander, das kann man gar nicht so verdeutlichen - das müsstet ihr mal selbst gehen. Und natürlich ging es nur hinunter an den Fluss, um auf der anderen Seite den nächsten Berg zu erklimmen, auf dem T85 thront.

Auf halben Weg hoch, am letzten Wohnhaus bietet eine wunderbare ältere Dame allen Pilger einen Rastplatz - mit dazugehöriger Verpflegung: Früchte, Schokolade, selbstgemachte Süßigkeiten und natürlich japanischem Tee. Das war der richtige Anschub für die letzten zwanzig Minuten des steilen Aufstiegs. T85 mit seiner Lage unterhalb des Berggipfels und den gepflegten Kieswegen, umringt von dichtem Wald, gehört auch zu meinen Favoriten. 

Der Abstieg mit zeitweise etwas Nieselregen erfolgte diesmal auf einer schmalen Nebenstraße - Gefälle 21%. Wieder unten angekommen ging es noch eine knappe Stunde weiter Richtung T86, dem letzen des Tages. Und nach einem Gusto-Stop mit Pizza und zahlreichen Getränken kamen wir um 16:00 Uhr dort an. Tempel 86 dürfte eine der grünsten Tempelanlagen des Shikoku-Henro sein, schmale Wege durch dichtes Grün führen zu einzelnen Gebäuden. Das finden auch die Moskitos toll.

Der Tempel bietet Henros seit diesem Jahr die Möglichkeit eines Tsuyado an, einer freien Unterkunft. Diese befindet sich allerdings nicht auf dem Tempelgelände sondern 5 Fußweg entfernt, in der Stadt. Wir bekamen im Tempeloffice den Schüssel und einen kurzen Einblick in die Hausordnung - danach bezogen wir unser Quartier. Eine Art Pilgerherberge auf zwei Etagen - unten einen großen Aufenthaltsraum, Dusche und WC - im OG zwei japanische Schlafräume, man schläft allerdings auf seiner eigenen Luftmatratze und im eigen Schlafsack. Spartanisch aber wunderbar, denn es soll die ganze Nacht regnen. Vielleicht haben wir Glück und der Regen ist morgen um 7 Uhr vorbei, wenn wir den Herbergsschlüssel wieder abgeben.

Kaum zu glauben - morgen stehen nur noch 26 km und zwei Tempel auf dem Programm. Am Donnerstag möchte ich dann die ca. 40 km von Tempel 88 zurück zu Tempel 1 laufen, um den Kreis dieser Pilgerroute zu schließen.