12-05-2018 Wonderful blue eyes

Eine grillendurchzirpte Nacht fand ein frühes Ende und um 6:15 Uhr war ich auf dem Weg zu Tempel 39. Ich erreichte ihn nach einer Stunde und machte mich nach einem halbstündigen Aufenthalt wieder auf den Weg. Der Henro ging heute sage und schreibe fast 10 km durch den Wald, auf soften Waldwegen! Natürlich müsste man das mit einem satten Aufstieg zum Matsuo-Tōge Pass bezahlen ... allerdings hatte man dort auch einen wunderbaren Ausblick zurück auf die Küste. Die restlichen Kilometer nach Mishō waren dann wieder Roadwalking. Nach 36 Km kam ich am Tempel 40 an, den ersten Tempel in der Provinz Ehime.  Ein sehr schöner Tempel, wie immer sehr gepflegt und mit einem kleinen Koi-Teich.

Aber am Besten war der Mönch, der mein Tempelbuch Kalligraphierte:

  • You speak Japanese?
  • No.
  • Which Country?
  • Germany, Deutschland.

Der Mönch beugt sich mir entgegen und schaut mir tief in die Augen:

  • ahh German, blue eyes ... wonderful blue eyes 

Dann deutet er auf meinen sonnengebräunten Arm:

  • your skin, not German - it‘s Japanese!

Was haben wir gelacht. Und als ich schon wieder 30m draußen war aus dem Büro, kam er mir hinterher gelaufen und fragte „sleep outside?“ und ich sagte, dass ich in einem Minshuku (einer privaten Unterkunft) nächtige und er meinte „good - tomorrow rain“ und weg war er. Ich hätte sonst im Tempel nächtigen können - nice guy!

So ging es noch einen Kilometer weiter zum Ortsrand, wo Kelly an einem Lawson das gratis WLAN nutze. Just dort traf ich Mitsui wieder, einen Jungen japanischen Pilger, den ich zuletzt vor3 Tagen gesehen hatte. Er freute sich auch mich wiederzusehen und sagte, er übernachte in einem Hotel. Kelly und und ich gingen dann zu unserem Minshuko um dort auf Mitsui zu treffen! Eine 72-jährige japanische Frau beherbergt hier bis zu 3 Pilger und bei einem gemeinsamen Abendessen wurde viel geratscht und gelacht. Kelly spricht ziemlich gut japanisch und Mitsui (34, Programmierer) etwas englisch. Kelly und ich hatten unser Essen im Lawson gekauft, Mitsui ließ sich in bester japanischer Manier von der netten Gastgeberin bekochen.

Morgen soll es ab Mittag wieder kräftig regnen - ich werd mir zum Frühstück erst mal einen Schirm kaufen!

11-05-2018 2.000 Höhenmeter

Im benachbarten Hafen ging es zeitig zur Sache und so war ich bereits um 6:15 auf dem Weg Richtung T39, den ich übermorgen erreichen werde. Dies würde kein leichter und abwechslungsreicher Tag werden, es galt zuerst aus der Stadt zu kommen und dann einer Nebenstraße ca. 13km zu folgen die über den „Mount Imanoyama“ führte. Kurz gesagt knapp 800 Höhenmeter rauf auf 9km Strecke und anschließen wieder runter auf 4 km Strecke - besonders am Abstieg erfreuten sich meine Zehen!

Es war sehr heiss und weil diese Route nicht viel begangen wird - viele Pilger nehmen den gleichen Weg zurück, den sie hin zu Tempel 38 genommen hatten - war es monoton, heiss und schweißtreibend. In der Ebene angekommen traf ich einige Kilometer vor dem ausgemachten Campspot Kelly in einem Café sitzen und ich gönnte mir auch so ein Gebräu. Schnell noch etwas Sushi und Erdbeermilch im benachbarten Laden gekauft - und schon ging es dem Etappenziel entgegen. Heute campen wir im „Damside Park“ kurz vor Hirata (gelaufen: 38 km). Ein perfekter Platz um nochmals das Zelt aufzuschlagen, in den nächsten Tagen ist wieder Regen angesagt - wir haben vorsorglich schon mal in zwei Lodges reserviert. 

10-05-2018 ... da riecht was nach Fisch

Nach einem Frühstück bestehend aus sehr gutem Kaffee und zwei Croissants ging es los Richtung T38. Kelly wie immer mindestens 30 Minuten früher und mit einem Affenzahn. Die läuft und läuft und läuft ... Wahnsinn.

Dafür traf ich an der schönen Strecke an der Küste entlang meine beiden Australier wieder, sie hätten am Strand gezeltet. Wir plauschten eine Weile und machten Erinnerungsfotos - sie werden heute nur bis T38 laufen, ich noch mindestens 12 km mehr. Kelly und ich hatten uns den Park in Tosa-Shimizu ausgesucht um dort zu campen. 

Am Vormittag ging es an zahllosen Gemüsefeldern vorbei, Menschen ernteten Brokkoli, Rettich, Zwiebeln und anderes Grünzeug. Fast alles in mühsamer Handarbeit. Natürlich lagen auch wieder unzählige Reisfelder am Weg - wie eigentlich jeden Tag. 

Der Vorteil von so einem gemeinen Gemüsefeld ist ja, dass man kaum was riecht - aber das sollte sich am Nachmittag ändern. Nach einem Spaziergang am „Rubbish Beach“ und einer abenteuerlichen „Jungle Tour“ durch den Wald (mit Seilen zum Festhalten, weil es so steil ist) ging dadurch mehrere kleine Dörfer in denen der Fisch in der Sonne trocknete, geröstet wurde oder sonstige Wohlgerüche verursachte. Nicht mein Fall! 

Tempel 38 ist sehr schön, neben dem Haupttempel und mehreren kleinen Nebentempeln liegt in der Mitte ein großer Teich mit Kois und anderen Fischen darin. Es war sehr ruhig und andächtig dort, außer Kelly und mir war noch Hiroshima-San (den wir seit 3 Tagen immer mal wieder trafen - 70 Jahre alt) und ein weiterer Pilger dort. Keine Gruppen, keine Busse. 

Danach ging es wieder teils durch Dörfer, teils an der Hauptstraße entlang, bis ich Kelly am vereinbarten Park traf. Wir gingen noch einen benachbarten Supermarkt um Essen und Trinken zu fassen, bauten dann die Zelte auf - und ich war dem langen Tag mit 37 km geschafft und schlief früh ein.

09-05-2018 Sunshine again

Alle Tempel

Nach einem leckeren Abendessen und einer ruhigen und erholsamen Nacht im Trockenen, ging es um 7:30 Uhr zurück auf den Henro - bei Sonnenschein. Das war soviel besser als die letzten 3 Tage. Es ging heute 34 km bis zur Carmellia Lodge zu laufen, dort hatte Kelly vor 4 Jahren schoneinmal übernachtet - und dort in der kleinen Privatunterkunft gibt es zwar nur 3 Zimmer, aber mit „echten“ Betten und noch wichtiger: „echten“ Matratzen! Für insgesamt 3.000 yen (24 EUR) gibt es sogar noch Abendessen und Frühstück dazu. 

Also nix wie hin. Unterwegs bekam ich von zwei netten Japanerinnen eine kalte Limo und eine Banane zugesteckt, das erfreut das Pilgerherz. Am Nachmittag traf ich auf Gowin und Chrystel aus Tazmanien (Australien). Der 61-jährige pensionierte Pilot und seine jüngere Partnerin sind eigentlich auch gerade auf einem Fahrradtrip rund um die Welt, aber sie machen gerade Pause und haben sich 3 Monate Zeit für den Shikoku genommen. Zuhause in Australien leben beide auf einem Schiff - mal hier und mal da - amazing. Sie luden mich auf einen heißen Kaffee vom Alkoholbrenner ein und wir tauschten uns über unsere bisher allesamt nur positiven Erlebnisse in Japan aus. 

Um kurz vor 4 kam ich bei der Lodge Carmellia an und wurde vom netten Betreiberpaar auf’s Herzlichste begrüßt. Das Zimmer ist top - und das Essen (Beef-Curry) war sehr lecker. Von hier aus sind es nunmehr nur noch 21 Kilometer zum Tempel 38, dem südlichsten der 88 Tempel.