Tag 29 - der längste Tag

New York State ist schon irgendwie mit den AT-Regelungen. Man muss in Sheltern und offiziellen Campspots nächtigen - wild Campen verboten. Aber die Shelter liegen zeitweise zu nah beieinander oder zu weit auseinander … Um dieser Problematik etwas zu entgehen, bat ich Jim in der Früh mich statt 6 Meilen südlich zum Trailhead zu fahren, mich 6 Meilen nördlich am nächsten Trailhead rauszulassen. Dadurch verlor ich zwar den direkten Kontakt zu meiner Hiker-Bubble - aber ich bin ja auf Urlaub. Ach ja, und das Motel ist aus dem Jahr 1929 ... da muss ich unbedingt wieder hin, wenn ich das nächste Mal in New York bin!

Umgesetzt vorweg zu nehmen- es hat nicht geklappt, es wurde mit knapp 25 Meilen und einer Ankunft am Zeltplatz um 20:30 Uhr der längste Tag meiner Wanderung.

Zunächst lief alles nach Plan, es hatte aufgehört zu regnen und es hatte etwas abgekühlt. Allerdings war der Trail nass und die Felsen ziemlich rutschig - es war noch mehr Vorsicht geboten als sonst. Es gab 3-4 giftige Anstiege - und vorallem der letzte, hoch zum Zeltplatz in der Dämmerung hatte es in sich. 

Nachmittags wurde es brütend heiß und es ging hinauf auf den „Bear Mountain“. Leider hat der Aussichtsturm wegen Covid immer noch geschlossen, so dass ich nicht bis New York City sehen konnte, aber man hat von da oben einen tollen Blick auf den Hudson River, der nach NYC hinein fließt.

Das beste am Bear Mountain Aussichtspunkt sind aber die Getränkeautomaten!!! Eisgekühlte koffeinhaltige Limonade nach 8 Stunden auf dem Trail - ein Traum! Danach ging es dannnsteil bergab zum Bear Mountain Erholungspark - eine Parkanlage direkt am Hessian Lake, mit Bootsverleih, großen Grünanlagen, Grillplätzen, Spielplätzen … und Getränkeautomaten. Dort steht auch das „Bear Mountain Inn“ eine imposante Hotelanlage - nur viel zu teuer. 

Also hieß es den Zucker im Körper seine Arbeit tun lassen, den Hudson River überqueren und noch über eine Stunde zum Campspot „Hemlock Spring Campsite“ zu laufen. Als ich schließlich ziemlich dort ankam, wusste ich auch dass der Kommentar „Vielen Dank für den leichten Aufstieg mit den Serpentinen“ in der Hikerapp sarkastisch gemeint war. 

Am Campspot traf ich dann auch „Stealth“ den Kanadier wieder. 

Für den Blog war ich zu fertig - Zelt aufbauen, reinlegen und schlafen.

 

Tag 30 - B-Day

Heute gab es mal ein richtiges Frühstück, weil der Appalachian Markt direkt am Trail liegt. 365 Tage für 24 Stunden geöffnet … Drinks, Sandwiches, Kaffee … sowas sollte es öfter geben auf dem Trail. 

Stealth und ich liegen uns heute ein paar mal über den Weg und übernachten am brandneuen Lake Canopus Shelter - dort traf ich auch den ausgewanderten Bernhard “Free Solo” wieder!

Dazwischen war er wieder 27 Grad heiß - und als Hiker freut man sich dann schon über einen Wasserhahn mit Trinkwasser an einem Parkplatz. 

Als  ich eine kurze Zeit mit Stealth zusammen ging blieb er vor mir ganz plötzlich stehen - ging Rückrunden murmelte “Bear - on the Trail”. Und richtig - ca. 30 Meter vor uns kam uns ein ziemlich großer Schwarzbär entgegen. In diesem Abschnitt ging es links von Trail steil bergauf - rechts steil bergab, was sonst. Wir verharrten ganz ruhig und warteten ab, aber der Bär hatte wohl keine große Lust auf Gesellschaft und schlug sich abwärts in die Büsche. Puh - shocking!

Zum Glück war nicht weit davon eine InfoTafel  mit einem “Sorgentelefon”, an dem man alle seine Sorgen und seinen Kummer loswerden konnte. Aber ich glaube Stealth hat Bier und Pizza bestellt.

Nach ziemlich genau 20 Meilen kam

Ich dann am Lake Canopus an - müde und geschafft. 

 

Tag 31 - good food, good folks

Die ganze Nacht hat irgendein nachtaktiver Singvogel musiziert - nicht auszuhalten. Stealth ist mitten in der Nacht  aus seinem Zelt und wollte ihn durch klatschen verjagen - ich hab nur “kill him” gerufen, beides hat nichts genutzt. In der Früh waren alle unsere Zeltaussenseiten sehr nass und wir haben die in der Morgensonne erst noch trocknen lassen, bevor es auf den Trail ging. 

Wir wollten es heute etwas ruhiger angehen lassen und nur 14.6 Meilen zum “Morgan Stewart Shelter” gehen. Und wir freuten uns sehr auf den Deli-Laden und die Pizzeria in 10 Meilen Entfernung. Es hatte wieder fast 28 Grad und es gab keinen Wind. Ich traf unterwegs Popeye, Pink Hotdog und Mushroom und mehrmals das junge Paar Hummingbird und Gooseboots.

Die 10 Meilen bis zum Mittagessen wollten irgendwie nicht vergehen - dauernd Anstiege und Abstiege über Bäche und Straßen. Vom Trail zur Pizzeria waren es dann auch noch 0.5 Meilen Roadwalk in der prallen Mittagshitze - ich hatte fast die Hälfte geschafft, da hielt auf der anderen Straßenseite Trailangel “Baked Potato”, drehte um und fuhr mich zur Pizzeria. Er pendelte den ganzen Tag zwischen Trailhead und Pizzeria und brachte Hiker von hier nach dort. Dafür bekam er eine gratis Pizza und ein Gelato von der Pizzeria. Baked Potato ist ein 2020 Truhiker aus California - dieses Jahr macht er 6-8 Wochen Trailangel hier an der Ostküste. Seinen Trailnamen hat er daher, dass er sich letztes Jahr irgendwann mal mit so einer reflektierenden Rettungsdecke zudeckt schlafen gelegt hat, und er so aussah wie eine gebackene Kartoffel in Alufolie ...

Alle Hiker waren da - es war wie im Paradies. Pizza, Lasagne, Eis und kalte Getränke. 

Stealth und ich verbrachten 2 Stunden dort und ich vernichtete Lasagne du Casa und 4 Pepsi … 

Als uns Baked Potato dann wieder zum Trailhead brachte, mussten Stealth und ich nur noch knapp 4 Meilen zum Shelter gehen, vollgetankt war das eigentlich sehr einfach. Bis auf die unzähligen Moskitos …

Zelt aufgebaut - Moskitos ausgesperrt , Blog schreiben und noch ein bisschen Netflix schauen.


Tag 32 - feucht aber fröhlich

Normalerweise stehe ich (ohne Wecker) um 6:30 Uhr auf, packe alles zusammen und bin dann eine Stunde später unterwegs.

 

Heute war alles ganz anders: Pink Hotdog (mit seiner philippinischen Frau „Mushroom“ unterwegs), war früh wach und hatte seine Wetter-App gecheckt. Also ertönte um 5:30 Uhr der laute Ruf „Ireland - get up, it‘s gonna rain in 30 minutes“.

Also nix wie raus aus dem Schlafsack und rein in die Klamotten - und wirklich wahr, kaum hatte ich alles im und am Rucksack verstaut, fing es an zu regnen. Kurz darauf saßen wir alle 4 unter dem Dach des Shelters, und waren froh darum, letzte Nacht bei einem Shelter gezeltet zu haben. 

Wir alle hatten vor 10-12 Meilen zu laufen und dann in die etwas entfernte Stadt Pawling zu gehen - Stealth und ich wollten etwas essen und in eine Wäscherei, Pink Hotdog und Mushroom hatten dort ein sündhaft teures Zimmer im Inn gebucht. Sie wollen dann von dort mit dem Zug nach New York und dort das Wochende mit einigen Freunden verbringen, bevor sie am Montag ihren Thruhike fortsetzen.

Nach 1,5 Stunden Regen machten Stealth und ich uns auf den mit kleinen, orangen Kriechtieren gesäumten Weg. Alles war nass und rutschig und ich rutschte zweimal auf abschüssigen Felsen aus - landete aber glücklicherweise immer auf meinem dicken deutschen Hintern. Zu irgendwas muss der ja gut sein.

Mittags erreichten wir in nassen Schuhen und Socken die Dover Road, wo vermutlich der älteste Baum des AT steht. Dort rief ich Trailangel Kris an und sie holte uns ab und führ uns zu „Cleanery“ nach Pawling.

Wir machten große Wäsche und freuten uns über das WiFi und die gute Musik. Außerdem schenkte und eine nette Kundin Waschmittel und eine Handvoll Münzen für die Waschmaschine - einfach so!

Nach getaner Arbeit trafen wir auf Pink Hotdog und Mushroom, die uns einluden in ihrem Zimmer eine heisse Dusche zu nehmen - das müssen wir uns natürlich nicht zweimal sagen.

Gemeinsam mit den beiden gingen wir dann im „Connor‘s Pub“ was essen und ließen den Abend ausklingen. 

Stealth und ich mussten anschließend noch eine Meile zum Murrow Park laufen, dort dürfen AT-Hiker kostenlos zelten. Wir bauten unsere Zelte unter dem Dach eines Pavillons auf, weil wir dem Wetter nicht so ganz trauten - aber es blieb trocken.