Tag 106

Es war eine ruhige und erholsame Nacht, nur der Vollmond schien mir wieder mit aller Gewalt ins Zelt. Wir liefen morgens zügig los, mittlerweile starten wir wegen der kürzer werdenden Tage "erst" um 5:45 Uhr, und erreichten nach 50 Minuten den zweiten Watercache von "Devilfish". Aufgetankt und frühgestückt. Bis zum Mittag ging es stetig bergauf, vorbei am Mount Thielsen, bis zur höchsten Erhebung unseres restlichen PCTs. Kaum zu glauben, höher als 7.560 ft. geht es nicht mehr hinauf! 

Wenn ihr die Bilder anseht, wisst ihr, warum es vom Trail selbst so wenig zu berichten gibt: Oregon ist hier ziemlich bewaldet, die meiste Zeit läuft man auf Waldwegen durch Unmengen von lebenden und toten Gehölzern. 

Zur Zeit kommen uns jeden Tag 5-6 Southbounder entgegen, Northbounder sehen wir vielleicht 2-3. Wir sind gut unterwegs (heute 27.5 Meilen – und dann am Campspot ein halber Kilometer steilst begrab zur Wasserstelle!) und werden wohl übermorgen ziemlich früh in Shelter Cove (Campingplatz) einlaufen, dorthin hatten wir ein weiteres Verpflegungspaket geschickt.

Tag 105

Ok, ich geb’s zu – heute haben wir geschummelt. Ihr sind mit dem Trolley-Bus vom Mazama Campground zum Crater Lake Rim gefahren … und haben uns so 6 Meilen Fußweg gespart. Schuldig. Aber ich bin nicht päpstlicher als der Papst, nicht mal katholisch. Der Crater Lake ist gigantisch, vor 7.000 Jahren ist hier ein Vulkan ausgebrochen und in dessen Krater befindet sich der See – und im See befindet sich eine Vulkaninsel. Der Crater Lake ist der klarste See weltweit, man kann 44 Meter tief sehen. Es ist in unglaublicher Anblick, dieses tiefblaue Wasser und die steilen Kraterwände ringsherum – atemberaubend.

Wir liefen also zunächst 7.7 Meilen am Kraterrand entlang, bevor der "Rim Trail" wieder auf den PCT stieß. Anschließend liefen wir vier noch bis Meile 1842 – jetzt sind es „nur“ noch etwa 805 Meilen zum Northern Terminus!

Heute haben wir schon den ersten von "Devilfish" betreuten 2 Watercaches in dieser Gegend in Anspruch genommen. Wir hatten "Devilfish" gestern auf dem Parkplatz in Mazama beim Wasser abfüllen getroffen – es ist unglaublich, was er und die Trailangel im Allgemeinen für die Hiker tuen!

Tag 104

Im Gegensatz zu gestern verlief die Nacht ereignislos – da hatte ich 6 von diesen schwarzen Monsterameisen im Zelt und auf mir. Diese Viecher sind 3-4 mal groß wie die in Deutschland – sind aber harmlos. Es nervt nur, wenn du eine auf dir krabbeln spürst, denn dann juckt es an allen Stellen und du meinst sie überall zu spüren! Shiloh hatte ein gutes Dutzend im Zelt. Entweder die können sich durch Zeltwände beamen oder die haben sich auf meinem Rucksack reingeschmuggelt - keiner Wunder dass der mir so schwer vorkommt!

Anyway – wir liefen um 5:40 Uhr los und Wes und Staci folgten 20 Minuten später. Bis auf ein paar Dutzend querliegende Bäume verlief der Hike normal, ohne besondere Vorkommnisse. Wir erreichten den Mazama Campground und Store um ca. 16:00 Uhr und alle unsere Pakete waren da. Zelt aufgebaut (kostenlos für PCT Hiker), kurz geduscht und dann in "Annie’s Restaurant" einen leckeren Half Pound Bisonburger mit Pommes und Salat gegessen. 

Morgen geht es hoch auf den Crater Lake Rim Trail und um den See herum – ich bin mal gespannt, auf den Postkarten schaut das Teil gigantisch aus!

Tag 103

10 Tage nicht laufen, ausruhen und die Füße hochlegen – das werd ich tun, wenn ich wieder zuhause bin. Ein paar „Spezialisten“ werden jetzt sagen, „ach – du gehst arbeiten?“ Nope … zumindest nicht gleich, dieser Übergang wäre dann wohl doch etwas krass. Habe heute „Heartbreaker“ wieder getroffen, er kommt aus der Nähe von Stuttgart. Kurze Geschichte zu ihm: 

Ich habe ihn ja in der Hiker Hut in Etna kennen gelernt, und dann kam er mir zwei Tage später plötzlich auf dem Trail entgegen – Richtung Süden laufend. Er hatte in Etna auf mehrere Pakete aus der Heimat gewartet, die allerdings bis Freitag nicht ankamen. Also hätte er bis Montag warten müssen, dass das Postamt wieder öffnet. Aber unser Cleverle ist einfach nach Seiad Valley voraus getrampt, um von dort zurück nach Etna zu laufen. Dann konnte er dort die Pakete am Montag abholen (2 von 3) und anschließend wieder nach Seiad Valley trampen, um den Trail Richtung Kanada fortzusetzen. A echter Schwob halt ….

Langsam schließen wir zu der „Bubble“ auf … habe heute bestimmt an die 25 andere Hiker gesehen. 

Der Vormittag verging wie im Flug, leicht bergauf, aber im Wald und angenehm zu laufen. Wir wollten Oregon schon über den grünen Klee loben (doofer Ausdruck) – aber dann kam die bisher am schlechtesten gepflegte Strecke auf dem PCT: auf über 10 Meilen lagen bestimmt an die 250 Baumstämme quer über dem Weg. Zum Teil musste man drüber klettern, zum Teil sich außen herum durchs Gebüsch schlagen. Das war nervig und anstrengend. Und dann gab es auch noch auf 15 Meilen kein Wasser. Wes, Staci, Shiloh und ich schleppten uns quasi mit den letzten Tropfen und ziemlich erschöpft zum Creek bei Meile 1796 (es war ein 29,7 Meilen Tag). Dort hab ich erst mal einen Liter auf Ex getrunken und für die Nacht weitere 2,5 Liter abgefüllt. Wir haben gleich um die Ecke einen tollen, ruhigen Campspot gefunden und machen uns Morgen auf den Weg nach Mazama Village am Crater Lake (24 Meilen), wo auf jeden von uns vier ein Fresspaket wartet. Außerdem habe ich mir bei Amazon dorthin ein neues T-Shirt bestellt, und eine Regenjacke …